Eine Beispielrechnung für die Handelseffekte
Aller Wahrscheinlichkeit nach dürfte es nicht gelingen, die Handelsbilanz dadurch auszugleichen, dass die Importe auf das bestehende Niveau der Exporte verringert werden. Da ein Teil der Importe zur Herstellung von Exportgütern notwendig ist, sind von den Importbeschränkungen auch die Exporte betroffen. Für unsere folgende Beispielrechnung nehmen wir an, dass dies 20 Prozent der Exporte betrifft. Dadurch fallen die Exporte um 0,4 Billionen US Dollar auf 1,6 Billionen. Wenn auf diesem Niveau der Exporte die Handelsbilanz ausgeglichen sein soll, müssen die Importe um 1,6 Billionen US-Dollar fallen. Zusammengenommen ergibt sich ein Rückgang der US-Handelsströme um 2 Billionen US Dollar. Der gesamte Weltgüterhandel verringert sich dadurch um überschaubare 5 Prozent. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass ein Teil der nicht in den USA verkauften Waren in andere Weltregionen (zu günstigeren Preisen) umgeleitet werden. „Handelsvernichtung“ und „Handelsumlenkung“ entsprechen den in der ökonomischen Literatur bekannten Phänomenen der Handelsschaffung und Handelsumlenkung, die bei der Schaffung einer Zollunion entstehen.
Für unsere Beispielrechnung nehmen wir an, dass durch die Handelsumlenkung die Hälfte des Handelsverlustes kompensiert werden kann. Unterm Strich würde folglich der gesamte Weltwarenhandel um gerade mal 2 Prozent oder weniger als eine Billion US Dollar zurückgehen. Angesichts der Größenordnung könnte der Welthandel dies gut verkraften.
Finanzmärkte könnten sich mittelfristig wieder entspannen
Die Reaktion der Finanzmärkte auf den „Liberation Day“ waren jedoch weit gravierender als unsere Beispielrechnung nahelegt. Dafür dürften zwei Gründe ausschlaggebend gewesen sein. Erstens fürchten die Märkte zurecht, dass die von Donald Trump erzeugte Unsicherheit die US-Wirtschaft in die Rezession stürzen wird. Zweitens fürchten sie, dass die von den US-Zöllen betroffenen Länder mit Gegenzöllen antworten und es zu einem Handelskrieg kommt. Erinnerungen an den im Juni 1930 verabschiedeten Smoot-Hawley Tariff Act wurden wach. Als Gegenreaktion haben viele Handelspartner der USA Vergeltungszölle eingeführt. Der Welthandel schrumpfte um ca. 60 Prozent, was die Große Depression in den frühen 1930er Jahren verstärkte. Besonders betroffen waren exportorientierte Länder wie Deutschland oder Kanada. Auch litten US-amerikanische Landwirte und Industrien unter Gegenmaßnahmen aus dem Ausland.
Eine Wiederholung dieser Entwicklung kann aber vermieden werden, wenn die von den US-Zöllen betroffenen Länder auf eine Eskalation verzichten. Insbesondere könnten die negativen Handelswirkungen der US-Zölle durch stärkere Handelsintegration im Rest der Welt entschärft werden. Die durch den US-Zollschock ausgelösten Anpassungskosten sind kurzfristig kaum vermeidbar. Mittelfristig könnten aber die USA als der einzige große Verlierer der Zollpolitik von Donald Trump dastehen. Sobald diese Erkenntnis die Finanzmärkte erreicht, dürften sie sich wieder entspannen.